Da in anderen Threads bereits mehrfach andiskutiert, hier als eigenes Thema fyi oder einfach nur zum Auskotzen: Die vielgeliebte Tabakbesteuerung
Bin schon gespannt auf Eure Meinungen!
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- My 5 Cents zur Entwicklung hin zur Tabaksteuer bzw. eigentlich zum deutschen Tabaksteuermodernisierungsgesetz (TabStMoG) zum Nachlesen:
… eine geradezu verrückt anmutende Aneinanderreihung von Unkenntnis und Fehleinschätzungen:
- Zunächst (Jänner 2021) erklärt die deutsche Regierung keine Erhöhung der Tabaksteuer zu planen https://dserver.bundestag.de/btd/19/260/1926014.pdf
- 3 Monate später (April 2021) ist plötzlich klar, dass eine Erhöhung der Tabaksteuer nun doch sehr kurzfristig ansteht und E-Zigaretten und Tabakerhitzer ebenfalls besteuert werden sollen. Betreffend E-Zigaretten sollen nur nikotinhaltige Substanzen künftig der Tabaksteuer unterworfen werden (analog zur kommenden EU-Richtlinie zur Tabaksteuer). Hier der Gesetzesentwurf: https://dserver.bundestag.de/btd/19/286/1928655.pdf
- Im Mai 2021 kritisieren ExpertInnen - aus verschiedenen Blickwinkeln - aber durch die Bank den Gesetzesentwurf von Finanzminister Olaf Scholz: https://www.bundestag.de/presse/hib/842362-842362
- Und jetzt kommt der Hammer: eine Reihe von Änderungsanträgen werden eingebracht und plötzlich (Juni 2021) wird eine nicht nachvollziehbare und nie diskutierte Erweiterung der Besteuerung von Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten um nikotinfreie Substanzen und eine Umstellung der Besteuerungsgrundlage von Milligramm Nikotin auf Milliliter der Substanz vorgenommen. Statt „Nikotinsteuer“ kommt die flächendeckende „volumenbasierte Liquid Steuer“. (https://www.bundestag.de/presse/hib/846618-846618). Das Gesetz wird ohne weiterführende Diskussion dann auch direkt so beschlossen.
Neben den geradezu absurden Fehleinschätzungen der zu lukrierenden Steuervolumina (siehe den Entwurf) ist dieser Nacht- und Nebelschwenk weg von der europaweit geplanten Steuer auf nikotinhaltige Substanzen und Produkte hin zur deutschen Liquidsteuer das eigentlich Interessante. Woher und warum kam es zu dieser 180°-Wende?
Ganz linear kann das selbstredend nicht belegt nachgezeichnet werden, dazu müsste schon das berühmte Mäuschen im Hinterzimmer der Macht persönlich befragt werden. Hinweise gibt es aber:
Die Expertenanhörung im Finanzausschuss im Mai 2021 (https://www.bundestag.de/presse/hib/842362-842362) und daran anschließende Diskussionen und Lobbyisteninterventionen dürften wohl (mit-)ausschlaggebend gewesen sein: Die angeblich erheblichen Gesundheitsrisiken des Experimentierens mit selbstgemischten Liquids, sowie Steuerflucht und organisierte Kriminalität müssen unterbunden werden – in dieses Horn blasen neben anderen ExpertInnen auch die Vertreter der Dampferlobbies und -Industrie, namentlich Jan Mücke vom „Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse“ (https://www.bvte.de/de/home.html) und Dustin Dahlmann vom „Bündnis für tabakfreien Genuss e.V.“ (https://www.tabakfreiergenuss.org/). Die beiden repräsentieren die zwei mächtigen Arme der Dampfindustrie – jenen der großen Tabakkonzerne (Jan Mücke) und jenen der großen tabakfreien Produzenten (Dustin Dahlmann). Beiden geht es ganz klar um die Regulierung und letztlich Aneignung des Dampfermarktes:
- Jan Mücke ist FDP-Politiker und seit 2005 im deutschen Bundestag, er ist ein ausgewiesener Lobbyist der Tabakindustrie und seit 2019 CEO des „Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse“
- Dustin Dahlmann ist ein absoluter Marketingprofi und hauptberuflich Gründer und Chief Financial Officer (CFO) von InnoCigs GmbH & Co. KG
Tabaksteuern aufs Dampfen wollten sicherlich beide nicht, aber siehe da: Die über Nacht überraschend beschlossene Besteuerung sämtlicher dampfbaren Flüssigkeiten gleichermaßen hat den Markt in Deutschland rasch und nachhaltig verändert:
- Kleine und mittlere Hersteller von Aromen, aber auch Hardware etc. sind de facto sofort verschwunden (Aufwand mit Banderolen, Software, Zollfreilager unzumutbar)
- Pod-Systeme haben sich flächendeckend durchgesetzt - die Liquidsteuer bei Einweg-Vapes fällt viel weniger ins (finanzielle) Gewicht
- Selbstmischer und -Wickler werden mehr und mehr zu Exoten (wohl am besten an der Veränderung der Offline-Shoplandschaft ersichtlich)
- Dampfneulinge landen fast schon zwangsläufig bei Disposables
Nun meine tendenziösen Fragen an Euch:
- Hat diese Entwicklung den Tabakkonzernen und den Disposable-Herstellern bzw. -Verkäufern geschadet?
- Sind Selber-Mischer mit Ihren Selbstwickelverdampfern oder die Käufer vorgefertigter Liquids und Wegwerf-Produkte attraktiv für den Massenmarkt? (Was verkaufen sowohl die Tabakriesen wie auch Innocigs seit seiner Gründung fast ausschließlich?)
- Glaubt Ihr an uneigennützige Industrievertreter? (- Kann mir ein lautes LOL an dieser Stelle nicht verkneifen)
- Sollten nicht eigentlich genau jene Gruppen, die jetzt vorrangig mit dem Dampfen anfangen (Jugendliche, Nichtraucher) geschützt werden anstatt alten RaucherInnen die Möglichkeit zum Umstieg auf die Dampfe zu erschweren bzw. unattraktiv zu machen?
- Könnte das nicht noch übel backfire geben, wenn - endlich - disposables verboten werden und der deutsche Markt für alles andere ruiniert ist?
Ein Schelm wer Böses dabei denkt …